... denn in einem gesunden Körper wohnt eine zufriedene Seele
Über Paleo für Anfänger
... Ohne ein dickes Buch gelesen zu haben, ist es nicht ganz möglich in einfacher und gut verständlicher Form zusammenzufassen, was Paleo eigentlich ist. Vielleicht würde eine Zusammenfassung doch nicht schaden, denn im Laufe der Jahre verbreiteten sich zahlreiche Missverständnisse.
Warum brauchen wir Paleo eigentlich?
Mein erstes Buch, mit dem Titel Paleo Ernährung (Paleolit Táplálkozás, erschienen 2009) hat eigentlich darauf versucht Antworten zu finden, warum sich in der westlichen Welt eine gesundheitliche Katastrophe herausgebildet hat. Zusätzlich habe ich mich auch damit außereinandergesetzt, warum jeder zweite Mensch an Herz- und Kreislauferkrankungen leidet und jeder vierte an Krebst stirbt, obwohl die Ausgaben des Gesundheitswesens enorm hoch sind. Das beträgt dreiviertel der Gesamtsterblichkeit! In meinem zweiten Buch Paleo Ernährung und Erkrankungen unserer Zeit (Paleolit Táplálkozás és korunk betegségei), habe ich nachgewiesen, dass die heute so häufigen, oben bereits genannten Zivilisationserkrankungen, sowie auch Typ 2 Diabetes, Autoimmun- und Allergieerkrankungen, neurodegenerative Erkrankungen alle gegen Ende 19. Jahrhundert erschienen sind. Die Zivilisationskrankheiten wurden also von der Zivilisation verursacht.
Was bedeutet Zivilisation? Eine spezifische Lebensweise, die sehr davon abweicht, wozu wir uns während der Evolution angepasst haben. Alles hat mit dem Ackerbau und dann ein paar Tausend Jahre darauf mit der industriellen Revolution angefangen und hat sich mit der Urbanisation, mit der Herausbildung der immensen Menschenmassen bedienenden Lebensmittelindustrie fortgesetzt. In diesem Prozess sind winzige, nicht gleich erkennbare Verschiebungen in der Lebensweise eingetreten, die sich später in katastrophalen Phänomenen offenbart haben. Die Auswirkung jeder kleinen Veränderung hat sich erst in zwanzig-vierzig Jahren gezeigt, so war die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung nur schwer erkennbar. Zum Beispiel führen die in unserer Ernährung eine immer wichtigere Rolle spielenden raffinierten Kohlenhydrate erst Jahrzehnte später zu Diabetes, Herz-und Kreislauferkrankungen und zu Krebs. Diesen Verlauf hat die in der Medizinwelt der sechziger und siebziger Jahre zur Doktrin werdende Cholesterin-Hypothese nur verstärkt, welche die Jahrmillionen lang ohne Problem konsumierten Fette und das Cholesterin für die Ursache von kardiovaskulären Erkrankungen benannt hat. Die eingeführten Diät-Empfehlungen verstärkten weiterhin den Konsum von Kohlenhydraten, und haben die Bevölkerung zum Verzehr von ungesunden pflanzlichen Ölen umerzogen. Diese erhöhen die Entzündungen im gesamten menschlichen Körper, stimulieren den Krebs-Ablauf und begünstigen das Entstehen von Blutgerinnseln. Die Veredelung von Getreide im 19. Jahrhundert hat eine Art von Gluten erzeugt, wovon es sich erst heute wirklich bewahrheitet, welche schweren und hinterhältigen Probleme von Autoimmunkrankheiten bis Erkrankungen des Nervensystems es verursacht. Milch und Milchprodukte verursachen ebenso viele Probleme. Anhand moderner Ernährungswissenschaftlichen Forschungen empfiehlt die wissenschaftliche Ableitung von Paleo folgendes zu meiden: raffinierte Kohlenhydrate (Getreidesorten, Kartoffeln, Reis, Mais, Zucker, Fruktose…usw.), pflanzliche Öle (außer zum Beispiel Oliven- und Kokosfett), Milch und Milchprodukte (mit geduldeter Ausnahme von einigen harten, gereiften Käsesorten), Hülsenfrüchte (Soja, Bohnen, Erdnüsse, weil die in ihnen enthaltene Eiweiße Namens Lektine viele Darm und Immunologische Probleme verursachen). So hört sich also die “was sollen wir nicht essen” Definition von Paleo an.
Die Modelle von Paleo sind die Naturvölker
Es gibt aber auch eine andere, weniger wissenschaftliche Annährung an Paleo. Diese geht von der ärztlichen-anthropologischen Beobachtung aus, dass den Naturvölkern, denen Zivilisatorische Einflüsse fern sind, Zivilisationskrankheiten unbekannt sind. Da die Naturvölker bei steinzeitlichen Umständen geblieben sind, können wir sie als in einer Art von Zeitkapsel hiergebliebene Steinzeitmenschen betrachten. Uninformierte Menschen argumentieren damit, dass der Steinzeitmensch beziehungsweise der Naturmensch nicht lange lebt, deswegen ist er nicht von den Krankheiten betroffen, die sich bei den lang lebenden westlichen Menschen im hohen Alter zeigen. Laut unseren modernen anthropologischen Kenntnissen erreichen die Naturmenschen ein genau so hohes Alter wie die westlichen, sie bleiben aber bis ihrem Lebensende gesund. Die Lebenslänge des Menschen ist Ergebnis einer langen Evolution, nicht die Errungenschaft der modernen Medizin. Für viele ist der Begriff der Lebenserwartung verwirrend: sie ist wirklich niedrig in all solchen Zeitaltern und Gesellschaften, wo die Säuglings- und Kindersterberate hoch ist. Bislang haben wir die Ernährungsweise von 239 Naturvölkern gründlich kennengelernt. Verschiedene Völker haben sich verschiedenen Umgebungen angepasst. Das Verhältnis von tierischen und pflanzlichen Nahrungsmitteln spiegeln die Gegebenheiten ihrer Umwelt wieder.
... einerseits isst ein Großteil der Völker im Vergleich zum westlichen Menschen beträchtlich mehr Nahrungsmittel tierischer Herkunft, trotzdem sind sie gesund.
Zum Beispiel fehlen bei Vegetariern meistens die vollwertigen Proteine und die wichtigen Nährstoffe (Omega-3, Eisen, B-12 Vitamine…usw.), die nur in Lebensmitteln tierischer Herkunft vorhanden sind. Der Verzehr von viel Fleisch und Fett, so zum Beispiel bei einer Ketogene-Ernährung, ist auch mit großer Vorsicht anzugehen.
Paleo Diäten gibt es also so viele, wie Naturvölker und natürliche Umgebungen. Keiner von ihnen kann man mechanisch folgen. Mit dem folgenden muss auch gerechnet werden: je spezieller eine Ernährungsweise ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass in mehreren zehntausend Jahren eine Adaptation dazu erfolgte. Diese Adaptation kann genetisch sein (die Eskimos ertragen zum Beispiel die niedrige C-Vitamin Zufuhr besser) kann aber auch bestimmte Praktiken bedeuten (die Azteken zum Beispiel haben Mais mit einer bestimmten Lauge behandelt, so hat es keine B3 Vitamindefizite verursacht).
Bisher haben wir nur über Ernährung gesprochen, es ist aber wichtig zu betonen, dass sich die menschliche Spezies Jahrmillionen lang einer Lebensweise angepasst hat, bei der die Ernährung nur ein Teil ist. Deswegen sprechen wir im weitestem Sinne über Paleo-Lebensform.
Realistische Paleo-Lebensform
Paleo ist die einzige Lebensweise, mit evolutionärer Anschauung, bei dessen Gestaltung wir mit der Synthese von wissenschaftlichen Forschungen versuchen die evolutionär optimale Lebensweise, unter modernen Umständen zu rekonstruieren und wieder neu zu erschaffen. Einige Fachgebiete möchte ich nur beispielsweise benennen. Der Mensch hat sich mit seiner modernen Etymologie losgelöst von der Sonne, die für Jahrmillionen unsere D-Vitaminquelle war. Damit, dass Krebs und autoimmune Krankheiten sich wie eine Seuche verbreitet haben, hängt eng zusammen, dass die westliche Welt an chronischem D-Vitaminmangel leidet. Erst vor ein paar Jahren wurden wir damit konfrontiert, dass wir bei der Vorbeugung von Arteriosklerose, und für die normale Entwicklung der Knochen so sehr notwendige K2 Vitamin auch aus unserer Ernährung verloren haben. Folgen: Osteoporose-“Epidemie”, Arteriosklerose. Erst vor fast einem Jahrzehnt haben wir erfahren, dass Bewegung eine wichtige entzündungshemmende Wirkung hat. Die Hygiene-Hypothese hat gezeigt, dass die übermäßige Hygiene des modernen Menschen, der verbreitete Gebrauch von Antibiotika (in der Heilkunde und bei der Viehzucht) die Jahrmillionen andauernde symbiotischen Beziehungen mit “unseren alten Freunden” aus der Bahn geworfen hat. Dieses symbiotische Zusammenleben schützt den Naturmenschen vor Autoimmun- und Allergiekrankheiten. Das nun als Staatsfeind angesehene Bakterium helicobacter pylori, die mit Unmengen von Impfungen vorzubeugenden Infektionen, unsere ausgerotteten Parasiten, die Zusammensetzung der Darmflora, die mit der unnatürlichen Ernährungsweise zerstört wurde, die ständige Desinfizierung unserer Umwelt führt zu der abnormalen Entwicklung und Funktion des Immunsystems. Wir müssen uns auch damit konfrontieren, dass die Nahrung des modernen Menschen mangelhaft an Vitaminen und Mineralstoffen ist, zusätzlich brauchen wir von manchen Vitaminen auch deswegen mehr, weil die Industrieumwelt in der wir leben unseren Organismus ständig mit schädlichen Wirkungen bombardiert.
Realistisches Paleo ist ein sich immer mehr entwickelndes komplexes Wissenssystem, was immer dazu bereit ist die neuesten wissenschaftlichen Ergebnisse in sich zu integrieren. Paleo ist keine Religion, Andacht und die 100 prozentige Einhaltung der Paleo-Grundsätze wird von niemandem erwartet. Selbstverständlich ist Paleo umso wirksamer, je mehr man die Grundsätze befolgt, aber diejenigen, die diese nur teilweise einhalten, können für die Erhaltung oder Wiederherstellung ihrer Gesundheit auch viel tun, zum Beispiel damit, dass sie aus ihrer Diät die raffinierten Kohlenhydrate weglassen.
Wir konsumieren
Wir konsumieren nicht
Ich muss die Frage der Kernmehle hervorheben. Ich will nicht scheinheilig sein: ich esse jeden Morgen Kuchen aus Kokosmehl, manchmal habe ich das Verlangen ein Paleobrot mit Butter und Wurst zu essen. Die aus Kernmehlen hergestellten Brote und Kuchen können es zweifellos möglich machen, dass wir den Geschmack und die Gewohnheiten unserer traditionelle Ernährung jahrzehntelang beibehalten, übertreiben sollte man es aber doch nicht. Wir sollten aus diesen Kernmehlen nicht wieder eine neue, westliche, sich auf Kohlenhydraten basierende Ernährungsweise bilden.
Gábor Szendi
(Übersetzt aus dem Ungarischen)